Jodo: Der Weg des Stabes
JO
Der “Jo” ist ein etwa 1,27 m langer Holzstab, meist aus Eiche. Diese Waffe wird in verschiedenen japanischen Kampfkünsten benutzt, die jeweils unterschiedliche Ziele und “Philosophien” verfolgen, wodurch auch seine Handhabung entsprechend variiert.
In unserem Dojo trainieren wir das klassische Jojutsu der Shinto Muso Ryu. Diese Ryu stammt aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts und hat zum Ziel, einen Schwertangriff abzuwehren. Die Bewegungen hierfür wie auch die Lehrweise sind an den japanischen Schwertkampf angelehnt. So wird Jodo ausschließlich in Partnerkatas geübt, also in genau choreographierten Kampfszenen. Des Weiteren gibt es keinen Freikampf und auch keinen Wettbewerb!
Zur Erleichterung des Einstieges lernt jeder Anfänger zunächst die Kihon- Serie, eine Reihe von 12 Basistechniken. Parallel werden Uchi Komi geübt, Schlag- und Schnittübungen, die die Qualität der Kihon aus schnitttechnischer Sicht verbessern sollen.
Verfügt man über eine gewisse Grundsicherheit der Basisbewegungen, beginnt man mit den Katas. Ein Kata stellt jeweils eine Kampfsituation mit fest verteilten Rollen und Bewegungen dar. Insgesamt gibt es 64 Katas in 7 Serien mit sich steigernder Dynamik. Die Serien werden entsprechend der Reihenfolge geübt und repräsentieren den Stand des Übenden.
Da die Bewegungen des Jo- Kämpfers (auch “Shi- Dachi” genannt) auf die Schwertbewegungen abgestimmt sind, ist es unerlässlich, sich mit dem klassischen Kenjutsu, dem japanischen Schwertkampf, auseinander zu setzen. Dies erfolgt ebenfalls in einer Serie aus 12 Katas.
Im Laufe der Jahrhunderte wurden in die Shinto Muso Ryu einige andere Kampfschulsysteme integriert, die aber alle das Schwert als “Gegner” betrachten. Dazu gehören der Tanjo (Spazierstock), die Jutte und Tessen (Schwertbrecher und Eisenfächer) sowie die Kusarigama (Kettensichel). Insbesondere die letzten drei Waffen werden jedoch erst ab einem sehr hohen Niveau trainiert, über das wir momentan in unserem Dojo nicht verfügen.
HISTORIE
Nach der Schlacht bei Sekigahara im Oktober 1600 war Japan weitgehend befriedet. Krieger konnten sich nicht mehr in der Schlacht profilieren, um damit eine gehobene Stellung zu erlangen. So kam es, dass viele Samurai umherzogen und sich mit anderen maßen, um Ansehen zu erlangen. Muso Gonnosuke war ein solcher “Shugyosha”, und er war sehr erfolgreich. Er war unbesiegt, als er ca. 1608 Miyamoto Musashi begegnete, dem damals wie heute bekanntesten, legendären Schwertkampfmeister Japans. Details sind nicht gesichert, lediglich dass Musashi das Duell mit Leichtigkeit für sich entscheiden konnte, möglicherweise durch die ihm zugeschriebene Zweischwert-Technik. Aus Respekt ließ er Gonnosuke überleben. Dieser zog gedemütigt davon.
Ruheloses Umherwandern und schließlich der Rückzug in ein Kloster ließen ihn über die Niederlage nachsinnen. Dabei konnte er sich auf seine Erfahrungen mit dem Schwert, dem Langstock (Bo), dem Speer (Yari) und der Hellebarde (Naginata) stützen. Die Legende berichtet, ihm sei im Traum ein Kind erschienen, das ihm zuflüsterte: “Maruki o motte, suigetsu o shire” – “Nimm ein rundes Holz und triff den Solarplexus.” Das “runde Holz” war seine neue Waffe, der Jo, kürzer als der traditionelle Bo, aber länger als ein Schwert; dazu entwickelte er entsprechende Techniken. Diese Schule nannte er Shinto Muso Ryu.
Unbelegten Berichten zufolge suchte er eine neue Begegnung mit Musashi. Dabei soll er diesem zumindest ein Unentschieden abgerungen haben, manche berichten gar von einem Sieg. Dies wäre dann die einzige Niederlage, die die Legende des Schwertes hätte hinnehmen müssen. Sicher ist nur, dass beide diese zweite Begegnung überlebten, so sie denn überhaupt stattfand. Gonnosuke zog weiter und fand in Fukuoka auf der Insel Kyushu den Fürstenclan der Kuroda, der ihn als Kampfkunstlehrer anstellte. Dies kann als Auszeichnungen seiner Kampfkunstqualitäten betrachtet werden, wurden doch nur den Allerbesten solche Ehren zu Teil.
Bis zur Aufhebung des Lehenssystems durch die Meiji-Reformen im 19. Jahrhundert (1871) wurden die Jodo-Techniken streng geheimgehalten. Erst danach wurde der Zugang erleichtert, und im vorigen Jahrhundert konnten erstmals eine Handvoll Nichtjapaner unter dem letzten Großmeister Shimizu Takaji Sensei diese Ryu erlernen und sie unter anderem nach Europa bringen.
Der europäische Hauptsitz der Shinto Muso Ryu ist bei Pascal Krieger Sensei in Genf – siehe www.fej.ch.